Nebelschwaden über dem Lotos See

Die Sonne versank langsam hinter den Hügeln, der Himmel brannte in einem Feuer aus Purpur, Orange und Gold. Die letzten Strahlen des Tages schickten ein Glühen über die Landschaft, als würde der Himmel selbst einen Abschiedsgruß sprechen. Langsam legte sich eine dünne Nebelschicht über den See, als wolle sie das Geheimnisvolle dieser Stunde bewahren.

Leuchtende Lotusblüten im Nebel auf einem mystischen See bei Sonnenuntergang mit farbigem Abendhimmel.
Nebelschwaden über dem Lotos See

Doch das wahre Wunder offenbarte sich auf dem Wasser: Lotusblüten, die nicht bloß blühten – sie leuchteten. Ihre Farben waren intensiver als jedes Abendrot, funkelten in Rosa, Blau, Türkis und Gold. Jede einzelne schien ein Geheimnis in sich zu tragen, ein stilles Lied aus einer Welt, die jenseits unserer Wirklichkeit liegt.

Ich kniete am Ufer nieder, unfähig, den Blick abzuwenden. Das Licht der Blüten war kein einfaches Schimmern. Es war eine Sprache, die tiefer reichte als jedes gesprochene Wort. Der Nebel überzog den See mit einem fließenden Schleier, doch anstatt die Sicht zu verhüllen, ließ er die Farben der Blüten noch kräftiger hervortreten. Die Spiegelungen auf der Wasseroberfläche tanzten, als wären sie von unsichtbaren Händen berührt.

Mich erfasste ein Gefühl der Geborgenheit. Es war, als würde der See selbst zu mir sprechen, leise, sanft und voller Vertrauen. Ich konnte erkennen, was die Blüten mir zu erzählen versuchten. Manche sprachen von vergangenen Träumen, die wie kleine Lichter noch immer in der Tiefe leuchteten. Andere erinnerten an verlorene Wege, an Entscheidungen, die einst schmerzten, doch in einem größeren Bild ihren Sinn fanden. Wieder andere offenbarten Hoffnungen, die noch schlummerten, verborgen, aber voller Kraft.

Als der Wind über die Wasseroberfläche strich, bewegten sich die Blüten leicht, und der Nebel begann, über dem Lotos See zu tanzen. Für einen Moment glaubte ich, ihr Flüstern zu hören. Kein Laut erreichte mein Ohr, und doch war da ein Klang, der mein Herz berührte – wie eine Melodie aus Erinnerungen.

Da verstand ich: Dieser See war kein Ort, den man zufällig fand. Er war eine Schwelle – ein Übergang. Wer ihn sah, wurde erinnert. Nicht an die Welt draußen, sondern an die Welt in sich selbst.

Erinnert an die eigene Schönheit, an das eigene Licht, das nur darauf wartete, gesehen zu werden. Und in diesem Augenblick wusste ich, dass ich nie mehr derselbe sein würde.


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