Im Atem des Morgens

Noch bevor die Sonne ganz über die Hügel stieg, lag die Welt in einem sanften Schweigen. Der Frost hatte die Erde mit einem glitzernden Schleier überzogen, jedes Hälmchen, jede Beere funkelte wie von Zauberhand berührt. Nebel zog über die Felder, und aus der Ferne war das leise Schnauben von Hirschen zu hören – ein Gruß des Lebens inmitten der winterlichen Ruhe.

Clara stand am Waldrand, eingehüllt in ihren alten Mantel. Sie war früh aufgebrochen, um Kräuter für ihren Tee zu sammeln, so wie jeden Winter. Doch heute war anders. Irgendetwas im Licht, im Atem der Natur, schien sie tiefer zu berühren.

Sie kniete sich hin und betrachtete die kleinen roten Beeren, die sich trotzig gegen die Kälte behaupteten. „Wie ihr das schafft … so zart und doch so stark“, flüsterte sie und lächelte.

In diesem Moment erkannte sie, dass das Leben selbst in seiner stillsten Form Fülle war. Dass es nicht laut sein musste, um zu wirken. Nicht groß, um Bedeutung zu haben.

Ein einzelner guter Gedanke, ein freundliches Wort, eine kleine Tat – sie alle tragen dieselbe Kraft in sich wie diese Beeren im Schnee: unscheinbar, doch leuchtend im grauen Tag.

Als Clara sich wieder auf den Heimweg machte, blieb sie noch einmal stehen und atmete tief ein. Der Frost knisterte leise, als wollte die Welt selbst antworten.


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