Die Himmelsstadt der Morgenröte
Die Nacht war kaum vergangen, als der Himmel sich in ein Meer aus Rosa, Gold und hellem Blau verwandelte. Mit dem ersten Strahl der Sonne öffnete sich der Schleier aus Wolken, und dort erschien sie: die Himmelsstadt der Morgenröte. Ihre Türme ragten wie Flammen in den Himmel, ihre Mauern schimmerten, als bestünden sie aus purem Licht.

Ein Schwarm weißer Vögel umkreiste die Stadt, zog Kreise, als ob er die Geburt eines neuen Tages feierte. Die Wolken, auf denen die Stadt ruhte, glänzten wie weicher Kristall, durchzogen von Strahlen, die tief ins Tal darunter, fielen. Alles an diesem Ort wirkte, als sei er nicht von Menschenhand geschaffen, sondern vom Morgen selbst geboren.
Die Legende erzählt, dass die Stadt nur dann sichtbar wird, wenn jemand bereit ist, neu zu beginnen. Sie ist kein Ort zum Verweilen, sondern ein Versprechen – ein Bild, das die Seele daran erinnert, dass jeder Tag mehr trägt als nur die Wiederholung des Gestern.
Ein Wanderer stand am Rand der Wolken und blickte ehrfürchtig hinauf. Er hatte eine lange Reise hinter sich, voller Abschiede und Zweifel. Nun, da die goldenen Tore vor ihm lagen, spürte er, wie die Schwere von ihm abfiel. Kein Wort erklang, kein Tor öffnete sich, und doch verstand er: Die Stadt war nicht gekommen, um ihn einzulassen. Sie war erschienen, um ihn zu erinnern.
Der Morgenwind spielte mit seinen Haaren, und die Vögel stiegen höher, begleitet vom Aufleuchten der Sonne. Die Himmelsstadt begann sich langsam im Licht zu verlieren, ihre Konturen lösten sich in Strahlen auf, bis nur noch die Wolken und der endlose Himmel übrig waren.
Der Wanderer lächelte. Er wusste, dass die Stadt ihn nie verlassen würde, auch wenn sie unsichtbar geworden war. Denn sie lebte nun dort, wo sie immer hingehörte – in seinem Herzen, im ersten Atemzug jedes neuen Tages.
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