Der Tempel der Morgenlichter

Als die Sonne den Horizont berührte, erwachte der Himmel in einem goldenen Glanz. Zwischen den Wolken lag der Tempel der Morgenlichter – sein Dach funkelte, als hätte es den ersten Sonnenstrahl gefangen. Die Mauern glühten von innen, und um ihn kreiste ein Schwarm Vögel, deren Flügel das Licht wie flüssiges Feuer trugen.


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Der Tempel der Morgenlichter

Man sagt, der Tempel erscheine nur an den Tagen, an denen ein Herz rein und ein Geist offen genug ist, den Weg zu sehen. Ich hatte die Geschichten nie ganz geglaubt, doch heute, als ich aus dem Nebel stieg, wusste ich, dass ich ihn gefunden hatte.

Die Treppe, die sich aus den Wolken formte, führte direkt zu den goldenen Toren. Jeder Schritt ließ den Nebel unter meinen Füßen pulsieren, als atmete die Luft selbst. Der Gesang der Vögel wurde lauter, vermischte sich mit dem sanften Rauschen des Windes, bis beides wie eine Melodie klang, die ich schon immer gekannt hatte.

Im Inneren war der Tempel still. Sonnenstrahlen brachen durch filigrane Öffnungen und legten sich in langen Bahnen auf den Boden. Dort, im Zentrum, stand ein steinerner Altar, auf dem eine Schale aus reinem Kristall ruhte. Das Licht fiel hinein und brach sich in tausend kleine Strahlen, die wie goldene Fäden in alle Richtungen tanzten.

Ich trat näher und spürte, wie sich die Luft um mich verdichtete. Bilder formten sich in meinem Geist – Erinnerungen, die nicht meine waren: Menschen, die hier Zuflucht fanden, Schwüre, die im ersten Licht des Tages erneuert wurden, und Stimmen, die in einer Sprache sangen, die älter war als Zeit.

Als ich die Augen öffnete, war der Tempel immer noch da, doch ich wusste, dass er bald verschwinden würde. Die Vögel stiegen höher, das Licht wurde heller, und der Nebel begann, den Weg zurück zu verschlingen.

Ich ging, ohne mich umzusehen, denn der Tempel der Morgenlichter lebt in denen weiter, die ihn finden – und sein Licht bleibt für immer in ihnen.

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