Das Feuer, das bleibt

Das Feuer brannte ruhig. Nicht hoch, nicht fordernd — einfach da. Die Flammen bewegten sich in ihrem eigenen Rhythmus, als hätten sie beschlossen, niemanden zu beeindrucken. Holz knackte leise, Funken stiegen auf und vergingen, bevor sie etwas hätten erreichen können.

Über dem Kamin hingen die Strümpfe. Jeder ein wenig anders, jeder mit kleinen Zeichen versehen: ein Knopf, eine Naht, ein Muster. Sie hingen nicht dort, weil sie gefüllt werden wollten. Sie hingen dort, weil sie warteten.

Der Raum war vorbereitet.

Kerzen standen an ihren Plätzen, Kugeln lagen ruhig, das Werkzeug am Kamin war ordentlich sortiert. Alles hatte seinen Platz gefunden — so, als hätte jemand nicht nur aufgeräumt, sondern innerlich etwas abgeschlossen.

Niemand saß direkt vor dem Feuer. Und doch war der Raum nicht leer. Manchmal ist Warten kein Zustand der Ungeduld. Manchmal ist es ein stilles Einverständnis damit, dass etwas kommt — ohne zu wissen, wann.

Das Feuer wärmte nicht nur den Raum. Es schien auch Gedanken weich zu machen. Dinge, die sonst gesagt werden wollten, durften unausgesprochen bleiben. Und genau darin lag eine Form von Nähe, die kein Wort gebraucht hätte.

Die Strümpfe bewegten sich kaum. Nur ein leichter Luftzug ließ sie minimal schwingen. Kein Zeichen von Eile. Kein Zeichen von Erwartung, die drängt. Draußen war Winter. Drinnen war Zeit. Vielleicht ist das der eigentliche Moment vor Weihnachten.

Nicht der Tag. Nicht das Geschenk. Sondern dieser Zustand, in dem nichts fehlt — obwohl noch nicht alles da ist. Das Feuer brannte weiter. Und es reichte.


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