Der Schneemann, der das Licht bewachte
Schnee fiel lautlos vom Himmel, als die Nacht das kleine Dorf umhüllte. Die Straßenlaternen warfen ihr warmes, goldenes Licht auf die weißen Wege, und inmitten dieses Glitzerns stand er – der Schneemann mit dem farbenfrohen Schal.
Jedes Jahr tauchte er plötzlich auf, niemand wusste genau, wer ihn baute. Und doch wirkte er, als gehörte er schon immer hierher.
Heute hielt er eine Laterne in seiner Hand. Als hätte er beschlossen, selbst ein Wachposten des Lichts zu sein.

Mara spazierte durch die Gassen, den Kragen hochgezogen, die Hände tief in den Taschen. Es war einer dieser Tage gewesen, an denen alles zu viel war. Das Stimmengewirr im Kopf, die Erwartungen, der Druck. Manchmal schien ihr eigenes Licht so weit entfernt, dass sie sich fragte, ob es überhaupt noch da war.
Doch als sie um die Ecke bog, sah sie ihn.
Der Schneemann stand da, ruhig, freundlich, leuchtend. Sein Lächeln war so schlicht und gleichzeitig so ehrlich, dass es sie mitten im Herzen traf. Schneeflocken glitzerten auf seinem Hut, sein Schal leuchtete wie ein kleines Stück Welt voller Farbe.
Die Laterne in seiner Hand brannte hell – und doch mild.
Kein grelles Licht. Ein einladendes, stilles. Mara blieb stehen. Sie wusste selbst nicht warum. Sie spürte, wie die Kälte in ihrem Gesicht brannte, aber in ihrer Brust wurde es plötzlich warm. Als müsste sie gar nichts tun – nur stehen, schauen, atmen.
Was, wenn Licht immer irgendwo wartete?
Auch dann, wenn man es selbst nicht tragen konnte?
Was, wenn Orientierung nicht bedeutete, alles zu wissen – sondern nur, irgendwo ein warmes Leuchten zu sehen, das sagt: Hier entlang. Einen Schritt nach dem anderen.
Der Schneemann, der das Licht bewachte rührte sich nicht. Er musste es nicht. Sein Licht sagte alles. Als Mara weiterging, fiel ihr auf, wie hell die Welt plötzlich wirkte. Nicht, weil die Nacht sich verändert hatte. Sondern weil sie das Licht wieder sehen konnte.
💖 Erinnerung zum Mitnehmen
Manchmal zeigt sich Orientierung nicht als Antwort, sondern als warmes Leuchten irgendwo am Rand — genug, um weiterzugehen.
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