Der Punkt, an dem alles still wird

Der Baum stand da, als wäre er schon immer dort gewesen.
Nicht, weil er auffiel — sondern weil alles andere für einen Moment unwichtig wurde. Die Lichter glühten warm, gleichmäßig, ohne zu blenden. Kugeln spiegelten den Schnee, die Bänke, den Himmel. Es war spät. Der Park leer. Und doch fühlte es sich nicht einsam an.

Schritte blieben stehen, ohne dass jemand es geplant hätte. Menschen, die vorbeigingen, verlangsamten sich, sahen hoch, atmeten aus. Niemand sagte etwas. Es war nicht nötig. Der Baum sammelte den Blick ein, hielt ihn fest — sanft, nicht fordernd.

Schnee fiel. Nicht dicht, nicht dramatisch. Einfach genug, um die Geräusche weich zu machen. Man hätte weitergehen können. Aber irgendetwas im Raum lud dazu ein, noch kurz zu bleiben. Vielleicht war es das Licht.

Vielleicht die Art, wie der Baum nicht versuchte, etwas zu erklären. Er stand einfach da — geschmückt, ruhig, vollständig. In seiner Nähe verloren Gedanken ihre Richtung. Nicht im Sinne von Verwirrung, sondern im Sinne von Pause. Alles, was sonst zog, schob, drängte, ließ für einen Moment los.

Es war, als würde der Baum sagen:
Hier musst du nichts tun. Hier darfst du einfach schauen.

Die Nacht nahm das Licht auf, der Schnee trug es weiter, und irgendwo zwischen den Ästen entstand dieses seltene Gefühl, dass alles — für einen Atemzug — am richtigen Platz war.

Der Baum blieb stehen. Und mit ihm der Moment.


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