Das Licht, das nichts fordert

Der Weg dorthin war nicht ausgeschildert.
Und doch wusste man, wann man richtig war.

Zwischen vereisten Zweigen und schneebedeckten Hügeln stand der Bau, als hätte er sich nicht aus Stein geformt, sondern aus Licht selbst. Goldene Flächen fingen die ersten Sonnenstrahlen ein, ließen sie brechen, zurückwerfen, vervielfältigen. Nicht blendend — sondern warm. Still. Tragend.

Niemand betrat ihn hastig, denn dieser Ort erlaubte das nicht.

Wer näherkam, spürte, wie etwas in ihm langsamer wurde. Gedanken verloren ihre Schärfe, Erwartungen ihren Druck. Es war, als würde der Raum sagen: Du musst hier nichts werden. Du darfst einfach sein.

Die Kälte des Winters war da — und gleichzeitig nicht wichtig. Das Licht schien aus dem Inneren des Baus zu kommen, nicht von außen. Als hätte jemand eine Erinnerung freigelegt, die nie verloren gewesen war, nur überdeckt.

Manche standen lange davor. Andere setzten sich in den Schnee. Niemand sprach. Und genau darin lag seine Kraft. Dieser Ort verlangte keine Antwort. Kein Versprechen. Keinen Glauben.

Er war einfach da — wie ein stiller Zeuge dafür, dass es etwas gibt, das nicht verbessert, optimiert oder erklärt werden muss. Wer ihn wieder verließ, nahm nichts mit. Keine Lehre. Kein Ziel. Und doch fühlte sich alles leichter an.

Als hätte man für einen Moment aufgehört, sich selbst zu formen — und stattdessen wieder erkannt, was immer schon getragen hat.


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