Das Dorf in der Schneekugel

Als Emma die Schneekugel auf dem Dachboden fand, war sie von feinem Staub bedeckt. Ein altes Stück, das wohl irgendwann in Vergessenheit geraten war. Doch etwas an ihr zog Emma an — nicht die Form, nicht die Verzierungen, sondern das Gefühl, das sie bekam, als sie sie in die Hände nahm:

Ein leiser Stich von Vertrautheit.
Sie wischte die Oberfläche frei und hob die Kugel zum Licht.
Und dann hielt sie für einen Moment den Atem an.
Was sie sah, war kein gewöhnliches kleines Schneekugel-Dörfchen.

Nein — das Dorf unter der gläsernen Kuppel wirkte lebendig. Warm. Atmend. Die Lichter der Häuser flackerten wie echte Feuer, und aus manchen Schornsteinen stieg Rauch. Die verschneiten Tannen glitzerten, und winzige Schatten bewegten sich zwischen den Wegen, als würden dort wirklich Menschen leben.

Emma schüttelte die Kugel — und statt des üblichen Glitzerschnees stieg ein feiner Nebel auf, der das Dorf einhüllte wie Morgendunst.

Als der Nebel sich wieder legte, schien sich das ganze Dorf verändert zu haben.

Nein — gewachsen.
Sie kniff die Augen zusammen.
War das möglich?
Je länger sie hinsah, desto mehr erkannte sie: Dieses Winterdorf war ein Spiegel.
Nicht der Realität da draußen, sondern der Welt in ihr.
Jedes Licht ein Gedanke.
Jedes Haus ein Gefühl.
Jede Bewegung ein stilles Muster, das sie im Alltag kaum bemerkte.

Es war, als hätte die Schneekugel beschlossen, ihr zu zeigen, was in ihr lebte — auf eine Weise, die sie endlich wahrnehmen konnte.

Emma setzte sich auf eine alte Holztruhe, die Kugel in den Händen. Die Welt um sie herum verblasste, während das Dorf unter Glas immer klarer wurde. Und plötzlich verstand sie:

Die Schneekugel schützte dieses Dorf nicht — sie machte es sichtbar.
Für einen Moment sah Emma ihr inneres Leuchten so klar wie nie zuvor.


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