Die Rückkehr der goldenen Vögel
Als der erste Strahl der Sonne die Nebeldecke durchbrach, erwachte der Himmel in sanftem Gold. Der Tempel, hoch über den Wolken, glühte wie aus Licht geformt – und dort begann die Bewegung. Ein Flügelschlag, kaum hörbar, doch spürbar im Herzen. Dann noch einer. Und plötzlich waren sie da: die goldenen Vögel.

Seit Äonen waren sie verschwunden, erzählt in Legenden und Träumen, vergessen von jenen, die zu sehr nach unten blickten. Nun kehrten sie heim – nicht, um gesehen zu werden, sondern um zu erinnern.
Ihr Flug formte Muster aus Licht, Kreise aus Stille und Erinnerung. Jeder Flügelschlag schien eine alte Wahrheit zu tragen, ein ungesagtes Wort der Schöpfung. Wer den Mut hatte, hinzusehen, spürte, wie etwas in ihm zu klingen begann – leise, aber rein.
Ein alter Wächter stand auf der Treppe des Tempels. Er war keiner, der aufbewahrte, sondern einer, der verstand. Als die Vögel über ihn hinwegzogen, schloss er die Augen und lauschte. Da war kein Klang von Flügeln, kein Rufen – nur das leise Summen der Ewigkeit.
In diesem Moment wusste er: Die Rückkehr der goldenen Vögel war nicht das Ende einer Geschichte, sondern der Beginn einer Erinnerung. Sie kamen nicht aus der Ferne, sondern aus dem Inneren jedes Herzens, das wieder wagte zu fühlen.
Und als die Sonne ganz aufging, verschmolzen Himmel und Erde, Licht und Atem, Anfang und Ewigkeit. Die Vögel flogen weiter – hinein in das grenzenlose Blau, das zugleich überall und in jedem Menschen wohnte.
Denn das, was zurückkehrt, war niemals fort.
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